Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt sei für Jugendliche so gut wie nie zuvor, betont die Bundesbildungsministerin Annette Schavan in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Die Wirtschaft müsse wissen, dass Ausbildung heute ihre Chancen für morgen sichert, so Schavan.

Die Bundesbildungsministerin schließt nicht aus, dass zwar so manches Unternehmen das Angebot auszubilden reduziert hat oder ganz ausgestiegen ist, weil es keine Bewerber findet. Aber auch wenn nun anderthalb Prozent der Betriebe weniger ausbilden ist die Lage so gut wie nie zuvor.

Noch immer gibt es in Warteschleifen 300 000 Jugendliche, die eine Ausbildung machen möchten. Allerdings ist die Anzahl allein zwischen 2010 und 2011 um acht Prozent gesunken, gegenüber 2005 sind es 123 000 Jugendliche weniger. Die Tatsache, dass sich Jahr für Jahr weniger junge Leute bewerben, darf nicht dazu führen, dass die Ausbildungsbereitschaft sinkt.

Auch Bewerber mit schlechteren Abschlüssen sollen eine Ausbildung finden. Mit Bildungslotsen sollen nun Schüler mit Problemen schon ab der 7. Klasse betreut und an Praktika vermittelt werden. Viele Jugendliche wissen nicht, wo ihre Stärken liegen und was sich hinter einem Beruf verbirgt. Dort wo beraten wird, ist die Erfolgsquote hoch.

Die Modellprogramme laufen jedoch erst an knapp 2000 Schulen. Weil die Bildungslotsen dort allerdings sehr gut angenommen worden sind, wird die Berufseinstiegsbegleitung vom 1. April 2012 an dauerhaft im Gesetz verankert sein. Die Modellprogramme können dann also über den Versuch hinaus, in Abstimmung mit den Ländern, in die Fläche gehen.

Aktuell ist den Ausbildungsbetrieben damit noch nicht geholfen. Dass ein Ausbilder erwartet, dass ein Schulabgänger das Zeug zu einer Ausbildung mitbringt ist selbstverständlich. Es gab aber schon immer Jugendliche – und es wird sie immer geben – die mehr Unterstützung brauchen als andere. Der beruflichen Bildung sei es zu verdanken, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland nur halb so hoch ist wie in anderen europäischen Mitgliedsstaaten. Je weniger Jugendliche es gibt, umso wichtiger wird es, in Schule und Betrieb alles zu tun, damit der Knoten aufgeht.

Problematisch sei zudem, dass es noch immer 345 verschiedene Berufe in Deutschland gibt. Viele Schulabgänger kennen nur wenige davon und wissen somit nicht einmal welche Möglichkeiten ihnen offen stehen. Laut Schavan ist zumindest der Prozess, Berufe zu Gruppen zusammenzufassen, in Gang gekommen. Betrachtet man die sinkenden Schülerzahlen in Deutschland komme man nicht drum rum, mehr Berufe zusammenzufassen.

Jeder Berufsstand sagt aber: Bei uns geht das auf keinen Fall.

Eine Lösung des Problems könnte die vieldiskutierte Modularisierung sein. Natürlich darf das Niveau der Ausbildung nicht darunter leiden. Für verwandte Berufe bietet es sich jedoch an, den Grundstock gemeinsam zu lehren und die Spezialisierung in Modulen abzuschließen. Dieses muss allerdings fest gekoppelt sein, damit die Lehrlinge nicht nach der ersten Phase aussteigen.

Es wird nicht weniger, sondern mehr Qualifikation gebraucht. Wenn Wirtschaftsministerium und Bildungsministerium erfolgreich klarmachen, dass keine Absenkung der Standards droht, ist in naher Zukunft sicher noch mehr Bündelung möglich, sagt Schavan.