05.09.2011

In Frankreich sollen die Kinder mit Beginn des Schuljahres aus neuen Schulbüchern lernen, dass nicht nur Gene bestimmen, ob man sich als Mann oder Frau fühlt. Der Lehrplan sieht ab sofort ein Kapitel mit dem Titel „Mann oder Frau werden“ und sorgt für mächtigen Wirbel.

Das neue Kapitel soll Schülern im kombinierten Schulfach Biologie und Erdkunde Geschlechtertheorien näher bringen. Stein des Anstoßes ist die These, dass sich die sexuelle Identität über die Jahre im Spannungsfeld zwischen Biologie und soziokulturellem Umfeld herausbildet. Obwohl diese Theorie anerkannt ist, fordern die konservativen Kritiker, die neuen Biologiebücher aus dem Verkehr zu ziehen. Die Regierungspartei UMP äußert sich ähnlich und stellt sich gegen eine Ideologie, welche die Biologie missachtet und die sexuelle Identität der Menschen als kulturelles Konstrukt darstellt. Andere Kritiker fürchten, die republikanische Schule propagiere fortan Homosexualität und nehme dem Menschen seine Menschlichkeit.

Die Auseinandersetzung könnte aber auch eine Wahlkampfaktion der Rechten sein. Denn die oppositionelle Sozialistische Partei (PS) hält den Streit für weit hergeholt. Sie und Teile der Lehrerschaft sehen es nicht als Aufgabe von Politikern, über den Inhalt von Schulbüchern zu entscheiden. Dafür sind nach Meinung der PS in erster Linie Wissenschaftler zuständig.

Bis in die neunziger Jahre konzentrierte sich der Sexualkundeunterricht auf die biologischen Aspekte. Später kamen der Schutz vor Geschlechtskrankheiten und der Abbau von Vorurteilen gegen Homosexuelle dazu. Der zuständige Minister Luc Chatel sagt zu den aktuellen Veränderungen, dass einige Verleger bei der Interpretation des Lehrplans etwas weit gegangen seien. An den Büchern will er jedoch festhalten.