26.11.2011

Bundesländer gegen Bundesregierung: Während für die Kultusminister der Länder manche Lehrberufe weniger wert sind als ein Abitur, ist die Bundesregierung vom Gegenteil überzeugt und will mit der Informationsoffensive „Berufliche Bildung – Praktisch unschlagbar“ Ausbildungsberufe fördern.

Bis zum Jahresende wollen die Bundesländer die Ausgestaltung des „Deutschen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen“ (DQR) abschließen, der die Wertigkeit der verschiedenen Bildungsabschlüsse festlegen soll. Die Einordnung in eine von der EU vorgegebene Punkteskala mit den Stufen 1 bis 8 vom Hauptschulabschluss bis zur Promotion soll die deutschen Abschlüsse mit anderen europäischen Qualifikationen vergleichbar machen. Die Einstufung kann Arbeitgebern helfen, ihre Bewerber besser einzuschätzen. Ein erster Schritt in diese Richtung war bereits die Einführung des Europasses. Dieser bietet seit 2004 jungen Menschen die Möglichkeit, sich mit standardisierten Dokumenten für einen Job zu bewerben.

Nach Auffassung der Kultusminister ist das Abitur in der Regel ein höherwertiger Abschluss als eine abgeschlossene Lehre. Deshalb wollen sie sie es angelehnt an die neue europäische Punkteskala auf Stufe 5 einordnen, während dreijährige Lehrabschlüsse meist auf Stufe 4 rangieren. Nur entsprechende Berufsabschlüsse, hinter denen sich anspruchsvolle Lehrberufe, wie zum Beispiel aus dem Gesundheitswesen verbergen, will die Kultusministerkonferenz auf Stufe 5 verorten. Sie erklärte ihre Entscheidung mit der Einmaligkeit des Abiturs, da es eine Studienberechtigung für jede Universität darstelle und keine Hochschuleingangsprüfungen vor dem Studium verlange.

Die Entscheidung muss sehen der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) überaus kritisch. Bundesregierung und die Wirtschaft plädieren ebenfalls dafür, das Abitur neben der erfolgreich abgeschlossenen dreijährigen Lehre auf Stufe 4 der Skala einzuordnen. Die SPD-Bundestagsfraktion sieht es genauso, der zufolge die Einordnung der meisten dualen Ausbildungen unterhalb des Abiturs den vermittelten Fertigkeiten und Kompetenzen in diesen Ausbildungsgängen nicht gerecht wird. Die Berufsbildung eröffne Karriereperspektiven in der Fortbildung zum Meister, Techniker oder Fachwirt und werde zunehmend auch von den Hochschulen Zugangsberechtigung anerkannt.

Um ein Zeichen zu setzen, haben das Bundesbildungs- und Wirtschaftsministerium am 8.11.2011 die Informationsoffensive „Berufliche Bildung – Praktisch unschlagbar“ gestartet. Ziel der Offensive ist es, die hohe Attraktivität der dualen Ausbildung und die vielfältigen Chancen und Möglichkeiten beruflicher Weiterbildung einer breiteren Öffentlichkeit deutlich zu machen. Interessierte können sich sehr umfassend unter www.praktisch-unschlagbar.de informieren. Einen wichtigen Anstoß für die Informationsoffensive „Berufliche Bildung – Praktisch unschlagbar“ hat der Nationale Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs gegeben. Bundesregierung und Wirtschaft haben im Zuge dessen vereinbart, gemeinsam öffentlichkeitswirksame Aktionen zu initiieren, welche die berufliche Bildung stärken. Ein weiteres Resultat des Paktes ist in Form von Infomobilen erfahrbar, die in ganz Deutschland unterwegs sind, um Schülern direkt vor Ort Antworten auf ihre Fragen zum Thema berufliche Aus- und Weiterbildung zu geben.

Einen Höhepunkt wird die für den Sommer 2013 geplante und vom Bildungsministerium geförderte Berufsweltmeisterschaft „WorldSkills“ in Leipzig darstellen. Annette Schavan hält die Stärkung der beruflichen Bildung angesichts des demografischen Rückgangs an Schulabgängern und des in einigen Branchen mittelfristig drohenden Fachkräftemangels für dringend nötig. Mit der Informationsoffensive sollen deshalb gezielt leistungsstarke junge Menschen, aber auch bislang nicht hinreichend repräsentierte Gruppen, wie zum Beispiel Jugendliche mit Migrationshintergrund, für die berufliche Bildung gewonnen werden. Bereits verdienten qualifizierten Fachkräften will es das Ministerium erleichtern, sich weiterzuentwickeln und neue berufliche Wege einzuschlagen.