Binnen weniger Jahre hat sich die Lage am Ausbildungsmarkt gewendet. In den 90er-Jahren suchten noch jedes Jahr Zehntausende Schulabsolventen verzweifelt eine Lehrstelle.

Nun sind die Schülerzahlen eingebrochen. Immer mehr Jugendliche gehen zur Uni. 70 000 Lehrstellen könnten in diesem Jahr nicht besetzt werden, weil die geeigneten Bewerber ausbleiben.

Während Großunternehmen keine Probleme haben, Nachwuchs anzulocken, trifft der Lehrlingsmangel viele kleinere Firmen. 42 Prozent der Kleinstbetriebe haben Besetzungsschwierigkeiten. Unter den Großbetrieben sind es bisher nur 19 Prozent. Viele Unternehmen haben aus diesem Grund bereits resigniert und haben sich ganz aus der Ausbildung zurückgezogen.

Angebot an Ausbildungsplätzen

Mit der Abschaffung von Arbeitsplätzen riskieren diese Unternehmen jedoch ihre Zukunft. Auch ausgebildete junge Leute sind mittlerweile selten. Für Unternehmen die nicht ausbilden können wird es immer schwieriger, da die Übernahmequoten der auszubildenden Unternehmen stetig steigen. In der Metall- und Elektrobranche ist die unbefristete Übernahme der Auszubildenden sogar tariflich festgeschrieben.

Not macht erfinderisch

Umfragen zeigen, dass die Betriebe alle Register ziehen. Beispielsweise kann die in Süddeutschland beheimatete Bäckereikette K & U schon länger nicht alle ihre rund 160 Lehrstellen besetzen. Bislang wurde gerade einmal ein Viertel der nötigen Ausbildungsverträge abgeschlossen. Mit 5000 Mitarbeitern zählt K & U zu den größten Bäckereiketten Deutschlands. Die Antwort des Unternehmens auf den dramatischen demografischen Wandel lautet: Senior-Ausbildung. Ältere Mitarbeiter und Bewerber werden in einer zweijährigen Lehre qualifiziert zu Fachverkäufern im Einzelhandel, Schwerpunkt Bäckerei.

Einen Wettbewerb um den Nachwuchs spürt auch das Kraftfahrzeughandwerk. Dabei führt der Beruf des Kfz-Mechanikers nach wie vor die Beliebtheitsskala an. Während einst die Branche von Bewerbern überrannt wurde, gehen heute die Unternehmer in die Schulen, um für ihre Ausbildungsplätze Werbung zu machen.

Vier von fünf Arbeitgebern nutzen Betriebspraktika, um die Schüler frühzeitig an sich zu binden. 90 Prozent der neuen Ausbildungsverträge im Kfz-Handwerk werden mit Jugendlichen abgeschlossen, die zuvor in dem jeweiligen Unternehmen ihr Betriebspraktikum absolviert haben.

Auch aus Lernschwachen können Profis werden

Zudem bekommen nun auch die Bewerber eine Chance, die früher kaum zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden wären. So können junge Alleinerziehende eine Teilzeitausbildung machen. Und auch um Lernschwache oder Migranten bemüht sich die Wirtschaft. Schlechte Noten in Deutsch oder Mathematik lassen sich mit Nachhilfe verbessern. Fast 60 Prozent der Firmen zahlen ihren Azubis mittlerweile solche Unterstützungsangebote.